Pfarrkirche "Mariä Himmelfahrt" in Böhmischbruck

(Quelle: Streifzüge 22/2000 - Prälat Johann Ascherl)

 

Ad Boemalem pontem nennt Papst Alexander IV. im Mai 1258 den Ort. "An der böhmischen Brücke" war vor 1251, dem Jahr der Grundsteinlegung für die Kirche, ein Doppelkloster entstanden. Eine religiöse Frauen- und eine religiöse Männergemeinschaft brauchten eine Kirche für sich und die Bevölkerung. In einem Ablassbrief wurden die Gläubigen aufgefordert, die neu erbaute Kirche zu besuchen, die heiligen Sakramente zu empfangen und für das Gotteshaus Almosen zu spenden.

Bei dem Doppelkloster handelte es sich um ein Hospiz, ein "Gästehaus", in welchem Reisende beherbergt und notfalls medizinisch versorgt wurden. Damals als die "Goldene Straße" von und nach Prag noch schmal war, lag Böhmischbruck an einem strategisch wichtigen Punkt zwischen Ucha-Bach und Pfreimd. Wie für die Ost-West-Verbindung, war das Hospiz der "Grauen Brüder und Schwestern" auch wichtig für die religiöse und kulturelle Betreuung der Bevölkerung, die sich aus Slaven und Bajuwaren zusammensetzte.

 

Aus Böhmen kamen aber auch 1423, 1427 und 1431 Zerstörer des Klosters und der Kirche, nämlich Hussiten. Drei Steinkreuze an der Brücke und ein Kreuz in Altentreswitz werden heute noch mit der Ermordung von vier Benediktinern durch Hussiten in Verbindung gebracht. Nimmt man einen Brand am 5. Mai 1562 dazu, dann ist es einleuchtend, warum die jetzige Kirche auf wenigstens zwei Schuttschichten steht.

 

In Prag war am 8. November 1620 in der Schlacht auf dem Weißen Berg zwischen Katholiken und Protestanten auch eine konfessionelle Entscheidung für Böhmischbruck gefallen.

1542 war die Bevölkerung calvinistisch geworden, da der Ort damals zur Kurpfalz gehörte. 1629 wurde die Rekatholisierung durchgeführt. Ein wertvolles ökumenisches Denkmal befindet sich in der Kirche rechts vom Eingang: das Epitaph (Hochgrab-Denkmal) der Agnes Saurzapf aus dem Jahre 1592. Zu dieser Zeit war die Oberpfalz reich, seit dem Mittelalter ein kleines "Ruhrgebiet". Erzvorkommen, Holzkohle und Wasserkraft boten die Voraussetzung für eine blühende Eisenindustrie. Die Saurzapf waren eines der Hammerherren-Geschlechter. Auf dem Grabstein ist die Verklärung Christi als Vorschau für die Auferstehung dargestellt.

 

Der erste Eindruck beim Betreten der Kirche ist: Barock und Rokoko. Wer aber das Gebäude von Osten her betrachtet, stellt noch fünf zweimal abgesetzte gotische Streben an der Außenseite des Chores fest. Gotisch sind auch innen der eingezogene Chor, ein Spitzbogenfenster und ein Kreuz in der Sakristei. Echte Kunst passt zu echter Kunst, wie die spätere barocke Ausgestaltung der Kirche ab 1730 zeigt.

 

Die Kanzel, ein Frührokoko-Kunstwerk, um 1730 bis 1740, 1998 renoviert, gibt einen geschichtlichen Hinweis. Auf dem Schalldeckel steht die Figur des Regensburger Märtyrer-Bischofs St. Emmeram (+ um 740).

Mönche aus dem gleichnamigen Kloster in Regensburg - jetzt Schloss Thurn und Taxis - waren von 1299 bis zur Säkularisation 1802 die Seelsorger der Pfarrei Böhmischbruck. "Bete und arbeite", ein benediktinischer Grundsatz, wird auch Leitlinie der Seelsorge gewesen sein.

 

Der Taufstein, wertvolle Schnitzarbeit aus der gleichen Entstehungszeit 1740/1750, ebenfalls 1998 renoviert, trägt die Figuren der Taufe Jesu durch Johannes. Sie sollen - wie die Weihwasser-Becken am Eingang zur Kirche - den Getauften in Erinnerung bringen, dass auch ihnen Gottes Erklärung gilt: "Du bist mein geliebter Sohn / meine geliebte Tochter, an dir habe ich Gefallen gefunden" (vgl. Mt 3, 17). Eine christliche Gemeinde versammelt sich zur Feier der Eucharistie im Bewusstsein, als Getaufte haben wir eine neue Identität als Kinder Gottes.

 

Der alte Hochaltar, Frührokoko 1730 bis 1740, zeigt das Patrozinium der Kirche: Die Aufnahme Mariens in den Himmel, "Mariä Himmelfahrt". Die Ostkirche feierte schon vor 431, dem ökumenischen Konzil von Ephesus, dieses Fest. In der römischen Kirche wurde es im 7. Jahrhundert eingeführt. In Böhmischbruck wurde ihm 1258 die Kirche geweiht. 

 

Das Altarbild erinnert an die ostkirchlichen Ikonen von der Auferstehung Jesu, auf denen er - im Unterschied zu westlichen Auferstehungsbildern - den "Umweg" über das Reich der Toten macht, zu Adam und Eva und allen Verstorbenen, um sie zu befreien und in seine Herrlichkeit mitzunehmen. Unser Bild verbindet mit diesem "Osterfest Mariens" die legendäre Erzählung, dass sich zu diesem heilsgeschichtlichen Ereignis die Apostel am Grab Mariens versammelt hätten. Zehn Medaillons mit Motiven aus dem Hohen Lied und biblischen Weisheitsbüchern umrahmen das Bild. Der Altar ist gekrönt mit einer Holzfigur „Madonna mit Kind“, einer guten Arbeit aus dem frühen 18. Jahrhundert.

 

Bilder und Figurenschmuck der Kirche sind diesem Heilsgeschehen zugeordnet: Joachim und Anna, Mariens Eltern nach dem apokryphen (außerbiblischen) Evangelium des Jakobus, befinden sich im Kirchenschiff. Josef und Zacharias, andere Mitglieder der "heiligen Sippe", d.h. Verwandtschaft Jesu, stehen am Hochaltar. Darüber sehen wir in Deckenbildern die biblischen Berichte der Verkündigung (Lk 1, 39-56) und Heimsuchung (Lk1, 26-38).

Jüngeren Datums sind die Deckenbilder im Kirchenschiff: Zwei Kreuzweg-Szenen Jesu mit seiner Mutter und Maria über Böhmischbruck, sitzend wie ein Thron für das Jesuskind. Sie haben noch die ursprüngliche Farbenfrische, die ihnen 1919 der Maler Leonhard Thoma gab.

 

Altar und Ambo in der Mitte des Chorraumes sind das Ergebnis der liturgischen Erneuerung nach dem Konzil von 1962 bis 1965 und dienen besser dem Auftrag der Gemeinde, sich zum Gedächtnis des Herrn zu versammeln und in Wort und Sakrament seinen Tod zu verkünden und seine Auferstehung zu preisen, bis er kommt in Herrlichkeit.

 

 

Die Bilder der ehemaligen Seitenaltäre werfen Schlaglichter auf das religiöse Leben der Gemeinde.

 

Links sehen wir Johannes Nepomuk, den Brückenheiligen, der 1393 im Konflikt des böhmischen Königs Wenzl IV. mit der Kirche an den Folgen der Folter starb und von der Prager Karlsbrücke in die Moldau geworfen wurde. Rechts sehen wir St. Sebastian, den Patron gegen Seuchen und Pest, der einst Gardeoffizier beim römischen Kaiser Diokletian (284-305) war und wegen seines Glaubens den Märtyrertod fand. Die Pfeile in seiner Hand erinnern nicht nur an die Art seiner Hinrichtung. Sie weisen auch auf das Wort des Psalmes hin: "Du brauchst dich nicht zu fürchten vor dem Pfeil, der am Tag dahinfliegt, nicht vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche am Mittag" (Ps 91, 5-6). Die einige Kilometer entfernte Ortschaft Ödpielmannsberg soll früher jährlich am 20. Januar, dem Sebastianstag, nach Böhmischbruck gepilgert sein.

 

Die 14 barocken Kreuzweg-Bilder sind der "Via dolorosa" in Jerusalem nachempfunden. Wie die Wallfahrer in der Heiligen Stadt diesen "Schmerzensweg" Jesu betrachtend, gehen, werden hier Leidensstationen meditiert. Diese "Andacht" ist wie ein Wanderführer, der sagt: Der Weg zum neuen Leben mit dem Auferstandenen ist die Nachfolge im Leiden und Sterben.

 

Das jüngste Kind der Barock-Kunst dürfte der Orgel-Prospekt sein, die Schauseite der "Königin der Instrumente". Seine elegante künstlerische Gestaltung erinnert an den Nabburger Orgelbaumeister Andreas Weiß (1722-1807), der in der Oberpfalz und darüber hinaus zahlreiche Orgeln schuf.

 

Wer Raumgestaltung und Zeitgeschichte dieses Gotteshauses auf sich wirken lässt, kann sich selbst mit seiner Lebens- und Glaubensgeschichte wieder finden.

Verfasser: Prälat Johann Ascherl (* 01.12.1923 + 22.08.2009)