Simultankirche St. Johannes der Täufer in Altenstadt bei Vohenstrauß

(Quelle: Streifzüge 22/2000 - Peter Staniczek und Dr. Volker Wappmann)

 

Altenstadt war eine der Urpfarreien östlich der Naab und damit auch die älteste Pfarrei im Raum der Großgemeinde Vohenstrauß. Schon 1124 weihte Bischof Otto von Bamberg auf seiner ersten Missionsreise nach Pommern zwei Kirchen, die eine in Leuchtenberg (Michldorf), die andere in „Vohendreze", im Herrschaftsbereich der Grafen von Sulzbach gelegen, dem heutigen Altenstadt. Hier liegen also die Wurzeln der Stadt Vohenstrauß, denn erst in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts kommt es zur Gründung des späteren Marktfleckens Vohenstrauß auf der Südseite des Leraubaches. Die alte Siedlung erhielt zunächst den Namen „Altenvohendrezze" (1230) und schließlich Altenstadt (1261).

Ursprünglich wurde die Pfarrkirche dem HI. Aegidius geweiht, eine Umwidmung zu Gunsten Johannes des Täufers wurde erst in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts vorgenommen. Eine Neuorganisation der Pfarrei erfolgte mit der Einführung des evangelischen Gottesdienstes im Jahre 1542. Damals wurde der Markt Vohenstrauß als Pfarrei unabhängig. Zu Altenstadt gehörte hinfort nur mehr die Filiale Waldau. Die katholische Restauration 1627, die evangelische Restitution 1649 und die Einführung des Simultaneums am 15.3.1654 in Altenstadt führten endlich zu einer Auflösung der Pfarrei. Die Kirche gehört seit dieser Zeit bis heute beiden Konfessionen gemeinsam und wird von ihnen wechselweise benutzt. Die zuständigen Pfarrämter sind in Vohenstrauß.

 

 

Baugeschichte

 

Nach den während der Außenrenovierung im Jahr 1990 vorgenommenen Befundunter-suchungen handelt es sich bei der Altenstädter Kirche um eines der ältesten Gotteshäuser in der nördlichen Oberpfalz. Möglicherweise stammen die ältesten Teile der Kirche noch von dem Bau, der 1124 von Bischof Otto von Bamberg geweiht wurde. Dr. Gerhard Dobler versuchte in seinem Festvortrag vom 1. Dezember 1999 vor Ort die Baugeschichte auf Grund der vorliegenden Befunde zu rekonstruieren. Demnach sind die ältesten Teile des bestehenden Baus - die Südwand bis zum Turm, die Nordwand bis zum Altarraum sowie Teile im Turm - noch romanisch, worauf die kleinformatigen Granitquader sowie die geraden, monolithischen Stürze der Zugänge hinweisen. Eine dreischiffige, fünfjochige Hallenkirche mit halbrunder Apsis und zwei Türmen über den östlichen Jochen der Seitenschiffe sowie einer Westempore seien denkbar. Auf diese Osttürme weisen Wandpfeiler und Freipfeiler im östlichen Joch des nördlichen Seitenschiffes hin. Auch der jetzige Südturm wurde 1613 aus romanischen Quadern wieder errichtet. Belege für die Annahme einer dreischiffigen Hallenkirche finden sich in der beträchtlichen Weite der Kirche von mehr als zehn Metern und den relativ hohen (ca. 6,5 m) Außenwänden. Die Westempore lässt sich durch Wandpfeiler an der Nord- und Südwand nachweisen.

Gehen wir mit Dr. Dobler von einer ursprünglichen Hallenkirche aus, so stünde die Altenstädter Kirche in engster Verwandtschaft zur Kirche St. Nikolaus in Nabburg, die ebenfalls halbkreisförmige Apsis, Westempore, mit Wandpfeilern korrespondierenden Freipfeiler und ursprünglichen Osttürme aufweisen. Die kleine Gruppe der romanischen Hallenkirchen in Bayern ist sehr exklusiv. Die genannten Hallenkirchen werden durchgehend in das 12. Jahrhundert datiert.

 

Wenn auch sehr viel für den Typus der Hallenkirche spricht, wäre allerdings lt. Dr. Dobler theoretisch auch eine Saalkirche denkbar, wobei die Überprüfung wegen fehlender Wandpfeiler durch eine Grabung im Bereich der Pfeilerfundamente erfolgen müsste.

Ein größerer Umbau erfolgte in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Fundamentfunde lassen einen zweijochigen, polygonalen Chor erkennen. Die Arkaden der östlichen Seitenschiffjoche wurden abgemauert, eine Sakristei eingebaut, spitzbogige Fenster geschaffen und Wandmalereien angebracht.

Anfang des 17. Jahrhunderts war die Kirche baufällig geworden, möglicherweise waren größere Unwetterschäden zu verzeichnen. 1612 brach man den Westgiebel ab und errichtete ihn 1613 von Grund auf neu. Wie schon erwähnt wurde auch der Turm an der Südostwand wieder aufgebaut. Die romanischen Pfeiler und die Westempore wurden abgebrochen, Rundfenster, die jetzigen Emporen und die Holzdecke eingebaut.

Seit dieser Zeit hat sich das Äußere der Kirche kaum mehr verändert. Im 18. Jh. erfolgte eine vorsichtige Neueinrichtung des Kirchenraumes im Stile des damaligen Zeitgeschmacks. Die wohl schon im 16. Jahrhundert überputzten Wandmalereien wurden im Bereich der Chornordwand im Jahr 1962 zum großen Teil und in den Jahren 1989 bis 1996 an der Chorsüdwand und der Langhausost- und nordwand teilweise freigelegt.

 

An der Nordwand des Chores finden sich die schon genannten Reste spätgotischer Wandmalereien in Mischtechnik (Vorzeichnung freskal, obere Malschichten in Seccomalerei), die ursprünglich den ganzen Chorraum ausgeschmückt haben müssen. Die Wandmalereien enthalten seltene Szenen aus der Legende des ursprünglichen Kirchenpatrons, des hl. Agidius (vergleiche Krumauer Bildercodex).

Dieser stammte aus Athen, lebte der Legende nach um 700 als Einsiedler in der Provence (Saint-Gilles) und wurde von einer Hirschkuh mit ihrer Milch ernährt. Die Hirschkuh wird von den Jägern des Königs zweimal vergeblich gejagt. Beim dritten Versuch beteiligen sich Bischof und König an der Jagd, Agidius wird statt der Schutz suchenden Hirschkuh durch einen Pfeilschuss verletzt.

Kulturhistorisch besonders interessant ist dabei das mittlere Bild dieses Zyklus, das im Hintergrund möglicherweise die Leuchtenberger Burg und Altenstadt mit Kirche und Wehrfriedhof zeigt. Es handelt sich um die frühesten konkret erkennbaren, wenn auch noch fehlerhaft gezeichneten Ortsansichten in unserem Raum.

Der Hochaltar wurde 1752 aufgestellt und steht auf einer gotischen Altarplatte aus Granit; Einzelteile (z. B. die Säulen) stammen aus einem Seitenaltar der Vohenstraußer Pfarrkirche. Der heutige Hochaltar ersetzte einen Aufbau, der Anfang des 18. Jahrhunderts aus der Weidener St. Sebastianskirche nach Altenstadt geliefert wurde. Da sich damals der evangelische Pfarrer Caselmann aus Sparsamkeit weigerte, den Altar zu bezuschussen, ging der Altaraufbau an die Katholiken über. Entsprechend ist das Bildprogramm „katholisch: die Heiligen Sebastian und Johannes der Täufer knien vor der hl. Dreifaltigkeit (nach evangelischer Auslegung vor Maria), unter der Maria auf der Mondsichel erscheint.

 

Darunter ist in einem Glaskasten die hI. Anna dargestellt, die Landespatronin des damaligen Fürstentums Sulzbach. Der Altartisch davor ist im Mitbesitz der evangelischen Gemeinde. Dieser Hochaltar steht auf einer wohl noch gotischen granitenen Altarplatte.

Der linke Seitenaltar zeigt eine Nachbildung des berühmten Mariahilfbildes von Lucas Cranach, das, von den Kapuzinern gefördert, besonders in Zeiten der Türkengefahr vom Volk verehrt wurde. Der rechte Seitenaltar ist dem hl. Wendelin gewidmet.

Das bedeutendste Kunstwerk in der Kirche ist das prächtige Holzepitaph an der Südwand des Langhauses, das 1662 der Altenstädter Landsasse Stephan Schwab zur Erinnerung an seine Familie setzen ließ. Es zeigt im Mittelteil die Steinigung des hl. Stephanus, darüber im Giebel ein Medaillonbild Gott Vaters. Im unteren Teil des Epitaphs hat sich der Stifter mit seinen beiden Ehefrauen Sibille, geb. Hopfner, und Salome, verwitwete Zepf, und den Kindern darstellen lassen.

Das Kircheninnere zeichnet sich durch zahlreiche Grabdenkmäler und Epitaphien aus, die früher im Boden des Langhauses lagen und 1897 bzw. 1990 an der Nordwand des Kirchenschiffes aufgestellt wurden:

 

 

Um die Kirche zieht sich eine sehr hohe und fast vollständig erhaltene Mauer, die im Mittelalter zu Wehrzwecken angelegt worden ist. Die Nordseite des Kirchhofes schützte dabei das Gebäude des ehemaligen Landsassengutes, das sich an der Mauer entlang zog und von dem aus eine Brücke zu einer heute nicht mehr vorhandenen Herrschaftsempore in der Kirche führte. An der Südseite des Kirchhofes bilden das ehem. Schulhaus, das Tor und das anschließende ehem. Beinhaus mit der dahinter liegenden Kirche ein romantisches Ensemble. Der Kirchhof wurde früher auch als Friedhof verwendet; mehrere Grabstellen erinnern noch an Bestattungen aus dem 19. Jahrhundert.